Hygiene im Rettungsdienst - Schutzmaßnahmen - im Überblick
Einführung
Für Sie als Mitarbeiter im Rettungsdienst oder Krankentransport besteht generell ein Risiko der Infektionsübertragung – bedingt durch das Arbeiten auf engstem Raum, den regelmäßigen Kontakt mit infektiösem Material und die Unkenntnis des infektiösen Potenzials von Patienten. Dies erfordert stets die Einhaltung der Standardhygiene.
In weit weniger Fällen sind darüber hinausgehende Maßnahmen notwendig. Um diese auch entsprechend ergreifen zu können, sind Sie auf umfassende Informationen der entsendenden Stelle oder der versorgenden Notärzte angewiesen.
Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften) unterscheidet für Patiententransporte fünf Patientenkategorien:
Kategorie A:
Patient ohne Infektionsverdacht:
Schutzmaßnahmen: Standardhygiene
Kategorie B:
Patient mit Infektion – keine Gefahr der Übertragung bei transportüblichen Kontakten:
Beispiele: bei Tuberkulose (keine offene Lungentuberkulose), Hepatitis-B-/C-Infektion (Patient ohne offene, blutende Wunden), HIV-Infektion ohne klinische Zeichen von AIDS
Schutzmaßnahmen: Standardhygiene
Kategorie C-1:
Patient mit kontagiöser Infektionskrankheit (bei Diagnose bzw. begründetem Verdacht) sowie bei MRE-Infektion/-Kolonisation mit Gefahr einer Weiterverbreitung:
Beispiele: offene Lungentuberkulose, Meningokokken-Meningitis, Diphterie, Windpocken, Cholera, Typhus, Tollwut, MRSA
Schutzmaßnahmen: Standardhygiene und Zusatzmaßnahmen (s. Beispiele spezieller Erreger im Folgenden)
Kategorie C-2:
Patient mit Infektionskrankheit durch besonders gefährliche Erreger (schon bei begründetem Verdacht):
Beispiele: hämorrhagisches Fieber (Lassa, Ebola), Pocken, Pest, Lungenmilzbrand, SARS
Schutzmaßnahmen: Unmittelbare Verständigung der zuständigen Behörde, Einhalten besonderer Schutzmaßnahmen (s. Maßnahmen zur Risikogruppe 4 gem. BioStoffV/TRBA 250 - Anhang 1)
Kategorie D:
Besonders infektionsgefährdeter Patient:
Beispiele: Patient mit ausgedehnten Verbrennungen oder Immunsuppression (z. B. manifeste AIDS-Erkrankung)
Schutzmaßnahmen: Standardhygiene, Vorabdesinfektion des Wagens, Tragen von Kittel, Hauben, MNS und Handschuhen durch Personal, möglichst nur Einmalmaterialien
Die Standardhygiene und zusätzliche Schutzmaßnahmen werden im Folgenden unter unterschiedlichen Gesichtspunkten (nach Infektionsquelle, speziellen Erregern) dargelegt.
Impfungen
Um vermeidbare Infektionsrisiken auszuschalten, sollten Sie sich als Mitarbeiter impfen lassen. Aktuelle Empfehlungen veröffentlicht die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts (STIKO) jährlich. Empfohlen werden u. a. Impfungen gegen:
- Hepatitis A und B,
- Polio,
- Influenza,
- Diphterie,
- Pertussis,
- Mumps,
- Masern (Pflichtimpfung),
- Röteln.
Weitere Informationen:
Maßnahmen der Standardhygiene
Zur Standard- oder Basishygiene gehören alle Maßnahmen, die immer im Umgang mit Patienten einzuhalten sind. Sie bieten bei den meisten Infektionen ausreichenden Schutz. Zu den Maßnahmen gehören:
- Händedesinfektion,
- Einmalhandschuhe,
- Schutzkittel,
- Wischdesinfektion der Oberflächen,
- Hygienische Aufbereitung der genutzten medizinischen Geräte und Mehrweginstrumente,
- Wechsel der Schutzüberzüge nach jedem Transport,
- Fachgerechte Abfallentsorgung,
- Wäschehygiene.
Welche weiteren Schutzmaßnahmen nötig sind, hängt von der Art des Erregers, der Übertragungswege bzw. der Infektionsquelle ab. Beispielsweise sind Atemschutz oder Schutzbrille neben der Standardhygiene erforderlich, wenn der Patient Erreger ausscheidet, die aerogen oder über Tröpfchen übertragen werden.
Erreger mit besonderen Eigenschaften, die erweiterte Schutzmaßnahmen erfordern, sind z. B. Multiresistente Erreger (MRE), Meningokokken, Clostridioides (früher: Clostridium) difficile, Tuberkulose-Erreger (bei offener Lungentuberkulose) oder Noroviren.
Schutzmaßnahmen nach Infektionsquelle
Die hygienischen Schutzmaßnahmen leiten sich aus den Infektionsquellen und Übertragungswegen ab, z. B.
Blut:
Gefahr: Übertragung von Krankheitserregern wie HIV, Hepatitis-B-/C-Viren über nicht intakte Haut, Schleimhaut (Augen, Mund, Nase) oder Stichverletzung.
Zu den Schutzmaßnahmen gehören folgende Standardhygiene- und Zusatzmaßnahmen:
- Information an Mitarbeiter und Zieleinrichtung.
- Einmalhandschuhe.
- Schutzkittel bei Kontaminationsgefahr der Arbeitskleidung.
- Sachgerechte Abfallentsorgung zur Vermeidung von Schnitt- und Stichverletzungen.
- Abdeckung blutender Wunden zur Vermeidung der Umgebungskontamination.
- Desinfektion kontaminierter Flächen mit mind. begrenzt viruziden Desinfektionsmitteln.
- Hepatitis-B-Impfung.
Menschliche Ausscheidungen (Sekrete, Exkrete, Stuhl, Urin):
Gefahr: Übertragung von Krankheitserregern wie Noroviren, Salmonellen, Shigellen, Hepatitis-A-/E-Viren, Clostridioides (früher: Clostridium) difficile oder Polioviren – über nicht intakte Haut, Schleimhaut bzw. über orale Aufnahme durch Hand-Mund-Kontakt (fäkal-oral).
Zu den Schutzmaßnahmen gehören folgende Standardhygiene- und Zusatzmaßnahmen:
- Information an Mitarbeiter und Zieleinrichtung.
- Einmalhandschuhe.
- Schutzkittel bei Kontaminationsgefahr der Arbeitskleidung.
- Zur Reduktion der Umgebungskontamination ggf. Schutzkittel oder Abdecktuch sowie MNS für Patienten (falls dessen Zustand es zulässt).
- Hepatitis-A- und Polio-Impfung.
Aerosole/Tröpfchen:
Gefahr: Übertragung von Krankheitserregern (z. B. bei Meningokokken-Meningitis, Diphterie, Röteln, Influenza, Atemwegsinfektionen/-besiedelung durch manche multiresistente Erreger/MRE, offene Lungen-Tuberkulose, Windpocken, Masern, Noroviren-Infektionen) durch Einatmung, Aufnahme über die Bindehaut der Augen oder oral durch Handkontakt mit durch Speichel oder Sputum (Auswurf) kontaminierte Flächen.
Zu den Schutzmaßnahmen gehören folgende Standardhygiene- und Zusatzmaßnahmen:
- Information an Mitarbeiter und Zieleinrichtung.
- Vorab weitmögliches Ausräumen des Patientenbereichs; Utensilien, die nicht für den Transport benötigt werden, in Schubladen verstauen.
- Fahrer bleibt Patienten fern. Fahrerabteil getrennt halten (Zwischenfenster schließen, Umluft ausschalten).
- Einmalhandschuhe.
- Schutzkittel bei Kontaminationsgefahr der Arbeitskleidung.
- Schutzbrille.
- Partikel filtrierende Halbmasken (mind. FFP2 / FFP3).
- Zur Reduktion der Umgebungskontamination ggf. Schutzkittel oder Abdecktuch sowie MNS für Patienten (falls dessen Zustand es zulässt).
- Entsprechende Impfungen, wenn möglich.
Ektoparasiten (Flöhe, Läuse, Krätzmilben etc.):
Gefahr: Übertragung durch engen Kontakt zu Patienten (v. a. in schlechtem Pflegezustand).
Zu den Schutzmaßnahmen gehören folgende Standardhygiene- und Zusatzmaßnahmen:
- Information an Mitarbeiter und Zieleinrichtung.
- Einmalhandschuhe.
- Schutzkittel.
- Ggf. Schutzkittel bzw. Abdecktuch, Kopfbedeckung für Patienten.
Übrigens, das Gesundheitsamt kann das Fahrzeug stilllegen, um die Ektoparasiten "auszuhungern".
Schutzmaßnahmen bei Clostridioides (früher: Clostridium) difficile
Clostridioides (früher: Clostridium) difficile ist ein anaerobes Bakterium. Bei widrigen Lebensumständen bildet es Sporen, die diese Umstände lange überdauern können. Das Bakteriem ruft Kolitis und Clostridioides (früher: Clostridium) difficile-assoziierte Diarrhö (CDAD), eine Durchfallerkrankung, hervor. Gefährdet sind vor allem Empfänger von Antibiotikatherapien. Übertragen wird der Erreger durch direkte/indirekte Kontakte bzw. fäkal-oral.
Einzuhaltende Schutzmaßnahmen sind:
- Information an Mitarbeiter und Zieleinrichtung.
- Einmalhandschuhe bei möglichem Stuhlkontakt.
- Schutzkittel/Einmalkittel bei engem Patientenkontakt, vor allem bei Inkontinenz des Patienten bzw. erwartetem Stuhlkontakt.
- Wäsche, Decken, Laken, Kissen (infektiöse Wäsche) entweder desinfizierend waschen oder Einmalmaterial verwenden.
- Gründliche desinfizierende Reinigung kontaminierter patientennaher Flächen, Handkontaktflächen und Geräte/Utensilien mit sporozidem Desinfektionsmittel.
- Entsorgung kontaminierter Abfälle gem. AS180104 bzw. AS180101.
Weitere Informationen:
- Krankheitserreger von A-Z, deren Übertragungswege und wirksame Desinfektionsmittel finden Sie hier oder in der orochemie Hygiene App
Schutzmaßnahmen bei Meningokokken-Infektionen
Meningokokken sind gramnegative, kugelförmige Bakterien, die Meningitis (Hirnhautentzündung) hervorrufen können. Sie werden durch Tröpfchen oder Kontakt mit infektiösen Mund- und Atemwegssekreten übertragen.
Einzuhaltende Schutzmaßnahmen:
- Siehe im obigen Abschnitt Schutzmaßnahmen nach Infektionsquelle unter Aerosole/Tröpfchen.
- Bakterizide Desinfektionsmittel einsetzen.
- Entsorgung kontaminierter Abfälle gem. AS180104 bzw. AS180101.
- Wäsche, Decken, Laken, Kissen entweder desinfizierend waschen oder Einmalmaterial verwenden.
- Ggf. Postexpositionsprophylaxe. Bei ungeschütztem Kontakt, Betriebsarzt bzw. D-Arzt kontaktieren.
Weitere Informationen:
- Krankheitserreger von A-Z, deren Übertragungswege und wirksame Desinfektionsmittel finden Sie hier oder in der orochemie Hygiene App
Schutzmaßnahmen bei MRE
Bei manchen Bakterien haben sich Resistenzen gegen mehrere Antibiotika-Wirkstoffe ausgebildet. Man spricht daher von Multiresistenten Erregern (MRE). Sie können u. a. Sepsis, Wund-, Atemwegs-, Harnwegs- oder Hirnhautinfektionen verursachen. Zu den Erregern gehören:
- MRSA/VRSA/ORSA (Staphylococcus aureus) – übertragen durch Kontakt, Tröpfchen (letztere bei Infektion der Atemwege/Besiedelung des Nasen-Rachen-Raums);
- GRE/VRE (Enterokokken) – übertragen durch Kontakt;
- MRGN (inkl. ESBL-Bildner, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii, Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae etc.) – übertragen durch Kontakt, Tröpfchen (letztere bei Infektion der Atemwege/Besiedelung der Nasen-Rachen-Raums).
Einzuhaltende Schutzmaßnahmen:
- Siehe im obigen Abschnitt
- Schutzmaßnahmen nach Infektionsquelle unter Menschliche Ausscheidungen (Sekrete, Exkrete, Stuhl, Urin) und
- Schutzmaßnahmen nach Infektionsquelle unter Aerosole/Tröpfchen (bei Infektion der Atemwege/Besiedelung des Nasen-Rachen-Raums).
- Infektionsanzüge/Overalls sind hygienisch nicht erforderlich. Führen zur Stigmatisierung des Patienten.
- Bakterizide Desinfektionsmittel einsetzen.
- Entsorgung kontaminierter Abfälle gem. AS180104 bzw. AS180101.
- Wäsche, Decken, Laken, Kissen entweder desinfizierend waschen oder Einmalmaterial verwenden.
Weitere Informationen:
- Schulungsmodul Multiresistente Erreger
- Maßnahmen bei GRE-/VRE-Kolonisation/-Infektion
- Maßnahmen bei MRGN-Kolonisation/-Infektion
- Maßnahmen bei MRSA-Kolonisation/-Infektion
- Krankheitserreger von A-Z, deren Übertragungswege und wirksame Desinfektionsmittel finden Sie hier oder in der orochemie Hygiene App
Schutzmaßnahmen bei Noroviren
Noroviren sind unbehüllte Viren, die für einen Großteil der nicht bakteriell bedingten Gastroenteritis-Erkrankungen (Magen-Darm-Infektionen) verantwortlich sind. Übertragen werden sie durch Kontakt, fäkal-oral, durch Tröpfchen oder über Lebensmittel.
Einzuhaltende Schutzmaßnahmen:
- Siehe im obigen Abschnitt
- Schutzmaßnahmen nach Infektionsquelle unter Menschliche Ausscheidungen (Sekrete, Exkrete, Stuhl, Urin) und
- Schutzmaßnahmen nach Infektionsquelle unter Aerosole/Tröpfchen.
- Begrenzt viruzid PLUS bzw. viruzide Desinfektionsmittel einsetzen.
- Entsorgung kontaminierter Abfälle gem. AS180103 (infektiös).
- Wäsche, Decken, Laken, Kissen (infektiöse Wäsche) entweder desinfizierend waschen oder Einmalmaterial verwenden.
Weitere Informationen:
- Schulungsmodul Noroviren
- Maßnahmen beim Auftreten von Noroviren-Infektionen
- Krankheitserreger von A-Z, deren Übertragungswege und wirksame Desinfektionsmittel finden Sie hier oder in der orochemie Hygiene App
Schutzmaßnahmen bei Tuberkulose
Beim Tuberkulose-Erreger Mycobacterium tuberculosis handelt es sich um ein Bakterium. Je nach Form der Tuberkulose-Erkrankung gibt es unterschiedliche Übertragungswege und dementsprechende Schutzmaßnahmen:
Offene Lungentuberkulose:
Aufgrund der aerogenen Übertragung durch Tröpfchen folgende Maßnahmen einhalten:
- Schutzmaßnahmen nach Infektionsquelle unter Aerosole/Tröpfchen (s. o.).
- Tuberkulozide Desinfektionsmittel verwenden.
- Entsorgung kontaminierter Abfälle gem. AS180103 (infektiös).
- Wäsche, Decken, Laken, Kissen (infektiöse Wäsche) entweder desinfizierend waschen oder Einmalmaterial verwenden.
Übrige Formen der Tuberkulose:
Aufgrund der Übertragung durch Kontakt folgene Maßnahmen einhalten:
- Standardhygiene einhalten (s. o.).
- Tuberkulozide Desinfektionsmittel verwenden.
- Entsorgung kontaminierter Abfälle gem. AS180103 (infektiös).
- Wäsche, Decken, Laken, Kissen (infektiöse Wäsche) entweder desinfizierend waschen oder Einmalmaterial verwenden.
Weitere Informationen
- Krankheitserreger von A-Z, deren Übertragungswege und wirksame Desinfektionsmittel finden Sie hier oder in der orochemie Hygiene App
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